Rechte Ideologien exmatrikulieren! – Statement gegen rechte Lehre an der FU und in Berlin

Statement Text:

Der Arbeitskreis Hochschulpolitik und der AStA FU Berlin verurteilen die rassistischen und anderweitig diskriminierenden Vorfälle in Seminaren und Vorlesungen an der Freien Universität. Wir fordern gemeinsam mit zahlreichen Fachschaften und Initiativen die Entlassung von rechten, rassistischen oder anderweitig diskriminierenden Angestellten oder mindestens die langfristige Entziehung des Lehrauftrags. Des Weiteren fordern wir eine tatsächliche, tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Fällen und eine nachhaltige Strategie zur Vorbeugung solcher Vorfälle. Besonders im Fall des Dozierenden Michael Grünstäudl ist über das Stoppen seines Habilitationsprozesses hinaus ein angemessener Umgang der FU erforderlich.

Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie

Die sogenannte Freie Universität hat ein Problem mit diskriminierender und rechtsideologischer Lehre. Ein konkretes Beispiel bietet aktuell Michael Grünstäudl aus dem Fachbereich Biologie, der momentan Dozierender im Habilitationsverfahren an der FU Berlin ist. Er machte Studierende auf seine Website auf GitHub aufmerksam, wo er neben Lernressourcen eine ganze Reihe von Links zu neofaschistischen Inhalten (z.B. Videos von Martin Sellner, Identitäre Bewegung) postete ( -A- ). Grünstäudl nutzte somit seine Position als Lehrender an der FU, um rechte Inhalte unter Studierenden zu verbreiten. Zudem ist er Unterzeichner der rechten „Gemeinsamen Erklärung 2018“, die sich gegen Zuwanderung wendet und mit rassistischer Straßen-Mobilisation solidarisch stellt ( -B- ). Andere Unterzeichner*innen sind beispielsweise Thilo Sarrazin und Henryk M. Broder. Außerdem berichteten Studierende des Fachbereichs, dass Grünstäudl sich in Seminaren sexistisch verhalten habe.

Als Reaktion auf die Aufdeckung von Grünstäudls Verbreitung von rassistischem und faschistischem Gedankengut lässt die Uni seinen Vertrag auslaufen – jedoch nur nach vehementem Protest der Studierenden. Anstatt Betroffene von Diskriminierungserfahrungen zu schützen und unverzüglich alle Lehrtätigkeiten Grünstäudls zu unterbinden, sind Studierende weiterhin gezwungen, seine Online- Kurse zu belegen. Es ist eine unerträgliche Situation, dass sich betroffene Studierende sich in müßige Diskussionen mit dem Fachbereich begeben müssen und die vorliegenden Anschuldigungen nicht ausreichen, um konsequente Maßnahmen zum Schutz der Studierenden durchzuführen.

Der aktuelle Umgang der Uni mit diesem Fall reicht nicht aus. Wir fordern, dass dieser Vorfall einen Reflexionsprozess der Universitätsleitung und unter den Dozierenden anstößt und vor allem, dass es Grünstäudl verunmöglicht wird, zukünftig weiter im akademischen Rahmen tätig zu sein – sei es an der FU oder woanders. Wir fordern eine öffentliche Distanzierung der FU, sodass auch weitere potentielle Arbeitgeber vor Grünstäudl und seiner neo-faschistischen Haltung gewarnt sind.

Der Fall des Dozierenden Grünstäudl ist kein Einzelfall. Rechte, rassistische und diskriminierende Strukturen gehören zum Alltag an der sogenannten Freien Universität und werden von der Uni-Leitung weitestgehend geduldet. Im Folgenden sollen einige Beispiele skizziert werden.

Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften

Trotz wiederholter Diskussionsversuche seitens der Studierenden werden in Lehrveranstaltungen des  Studiengangs Sprache und Gesellschaft nach wie vor das N-Wort und weitere problematische Begriffe unkommentiert zitiert. Dasselbe gilt für problematische Texte, in denen rassistische Stereotype reproduziert werden. Bisherige Gesprächsversuche  der Studierenden und der Fachschaft sind immer wieder im Sand verlaufen. Aktuell unternehmen einige Studierende einen weiteren Versuch, die massive Problematik zu thematisieren, um mit den Verantwortlichen Lösungen zu finden.

Fachbereich Mathematik und Informatik

Des Weiteren ist mit Yannik Wendt seit Jahren ein Vorstandsmitglied der Jungen Alternative Berlin an der FU als Tutor angestellt. Er ist auch Gründer des neofaschistischen AfD-Ablegers „Junge Campusalternative“ an der FU. Der AStA forderte bereits 2019 erfolglos die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Funktionär der rechtsextremen AfD-Jugendorganisation ( -1- ).

Lehramt

Auch im Lehramtsstudium berichten zahlreiche Studierende von rassistischen und sexistischen Übergriffen in der Lehre. Vor einiger Zeit hat sich die Initiative Intersektionales Lehramt gegründet, um die FU zum Handeln zu zwingen. Im letzten Jahr hat die Initiative bereits einen offen Brief an die Unileitung und die Dahlem School of Education geschrieben mit konkreten Forderungen, unter anderem nach einer Fortbildung der Dozierenden zu Kolonialismus und Rassismus sowie der Überprüfung von Lehrmaterial aus antirassistischer postkolonialer Perspektive durch professionelle externe Expertise. ( -2- )

Die genannten Beispiele stehen nicht einzeln für sich, sondern sind Ausdruck einer rassistischen und diskriminierenden Struktur an der FU. Diese Struktur äußert sich nicht nur in Form fortdauernder Missstände in der Lehre, sondern ist auch an zahlreichen weiteren Faktoren ersichtlich: Die Benennung der Straßen und Unibauten in Dahlem, wie zum Beispiel des Henry-Ford-Bau ( -3- ), sowie die Knochenfunde auf dem Campusgelände ( -4- ) sind nur einige Beispiele. In diesem Zusammenhang ist auch auf den rassistischen Mord am Doktoranden Mahmud Azhar am Campus der freien Universität zu verweisen, der sich am 7. Januar zum 32. Mal gejährt hat. Dieser Mord ist ein Resultat rassistischer Denkmuster und deren gewaltvoller Reproduktion. Mahmud Azahr wurde auf dem Campus beim Verlassen des Biochemie Instituts von einem Faschisten beschimpft, bedroht und stark verletzt. Er erlag zwei Monate später am 6. März 1990 im Krankenhaus seinen Verletzungen. ( -5- )

Rechte Lehrende werden immer rechte Ideologien in ihrer Lehre reproduzieren. Das rechte Gedankengut findet sich in Inhalten, im zwischenmenschlichen Umgang und in der Reaktion auf Kritik an ihren Einstellungen. Studierende wehren sich gegen diese Zustände oft vergeblich, oder aus Angst vor den Folgen gar nicht. Doch selbst in Fällen wie dem des Dozierenden Grünstäudl, in dem Konsequenzen von Seiten der Universität erfolgten, wird deutlich, dass es an nachhaltiger Aufarbeitung mangelt. Denn die hier bestehenden Strukturen sind keine Besonderheit der Freien Universität, sondern inhärenter Bestandteil des Hochschulsystems. Deswegen ist es wichtig, dass die Aufarbeitung rassistischer Strukturen nicht nur an der FU passiert, sondern universitätsübergreifend zusammengearbeitet wird, um faschistischen Positionen keinen Platz zu bieten. Und nein, das Anbieten von Diversity-Kursen ist keinesfalls ein ausreichendes Mittel.

Die Universität hat bei ihren Einstellungsprozessen eine Verantwortung gegenüber Studierenden. Durch die fehlende Sensibilität bei der Auswahl der Dozierenden werden Studierende in ihrem Studium nicht nur diskriminiert, sondern teils auch retraumatisiert. Bei Berufungskommissionen wie in allen anderen universitären Entscheidungsgremien können Studierende immer überstimmt werden, weil die Statusgruppe der Professor*innen stets eine Mehrheit der Sitze in diesen Gremien hat ( -6- ). Aufgrund der bestehenden Hierarchien haben Studierende kaum Chancen, sich erfolgreich zur Wehr zu setzen. Gerade an kleinen Fachbereichen ist es für Studierende kaum möglich, bestimmten Dozierenden aus dem Weg zu gehen.

Wie der Fall Grünstäudl zeigt, existieren innerhalb der Universitätsstrukturen keine ausreichendenden Möglichkeiten für Studierende, ihren Problemen durch Beschwerden Gehör zu verschaffen. Es fehlen sowohl unabhängige Beschwerdestellen mit autonomer Handlungsbefugnis, als auch Handlungsalternativen für Studierende, um sich selbstbestimmt aus diskriminierenden Lehrsituationen zu befreien. Übergriffe zu thematisieren ist für Studierende mit immensem zeitlichen und psychischen Aufwand verbunden, der in der Regel an direkt betroffenen Einzelpersonen hängen bleibt. Es kann einfach nicht sein, dass Studierende in solchen Situationen ihre eigenen Diskriminierungserfahrungen immer wieder erklären müssen und das am Ende immer noch nicht ausreicht, um nicht weiter diskriminiert zu werden. Während die FU sich mitten in ihrem „Diversity- Prozess“ befindet, sehen wir keinerlei Fortschritte im Bereich Antidiskriminierung.

Wir fordern daher:

  • tatsächliche Sensibilisierung von Studierenden und Dozierenden für Diskriminierung statt inhaltsleerer Diversity-Strategien
  • Grünstäudls Habilitationsprozess stoppen, öffentliche Stellungnahme der FU zu ihm und seinen Handlungen
  • direkte Reaktionen bei Verbreitung rassistischer, diskriminierender und faschistischer Inhalte seitens Dozierender in ihrer Lehre
  • tatsächliche Mitbestimmung von Studierenden bei der Vergabe von Lehrstühlen
  • kritische Aufarbeitung der Geschichte der FU
  • Ausbau der Anlaufstellen für von Diskriminierung betroffene Studierende sowie klare Handlungsbefugnisse und Zuständigkeiten in diesbezüglichen Angelegenheiten
  • Klare und konsequente Positionierung der FU gegen jeden Faschismus, Rassismus und andere Diskriminierungsformen

Für uns und alle Studierenden gilt:

Wir müssen uns solidarisch mit all unseren Kommiliton*innen verhalten, die von rechten, rassistischen und anderweitig diskriminierenden Dozierenden unterrichtet werden und dadurch besondere Schwierigkeiten, Nachteile und belastende bis traumatische Erfahrungen durchmachen müssen.

Keine*r von uns darf wegschauen, schweigen oder sich enthalten, wenn rechte Ideologie verbreitet wird. Wir müssen die Machtpositionen, die Dozierende uns gegenüber innehaben, aufbrechen und unser Recht auf diskriminierungsfreie Lehre einfordern. Das geht nicht alleine, dafür müssen wir zusammenhalten und uns organisieren.

Also kommt zusammen, sprecht miteinander, reagiert direkt und unmittelbar auf Diskriminierungen in der Lehre (und schickt eine Mail an den entsprechenden Fachbereich hinterher, damit die Personen in Führungspositionen nicht behaupten können, nichts gewusst zu haben). Wenn eine*r von uns im Seminar oder in der Vorlesung auf menschenfeindliche Sprache, Verhalten oder Ideologie aufmerksam macht, ist es für uns alle die Pflicht, das entsprechende Verhalten nicht hinzunehmen, sondern gemeinsam dagegenzuhalten. Organisiert euch und vertreibt rechte Ideologien vom Campus!

Der Arbeitskreis Hochschulpolitik (AK HoPo) setzt sich aus zahlreichen Fachschaftsinitiativen und anderen Zusammenschlüssen von Studierenden an der FU Berlin zusammen und beschäftigt sich mit verschiedenen Themen der Hochschulpolitik.

Für Rückfragen gerne Mail an: hochschulpolitik@astafu.de

Quelle: https://astafu.de/rechte-ideologie-exmatrikulieren

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