Alles andere als ein Freispruch wäre ein Skandal gewesen

Im Verfahren gegen einen Antifaschisten, der im Rahmen der Proteste gegen den AfD-Landesparteitag 2021 einen Polizisten mit einem „Handkantenschlag“ angegriffen haben soll, gab es heute einen Freispruch. Das gesamte Verfahren basierte allein auf den kreativen Erinnerungen von einzelnen Polizeibeamten und hätte eigentlich nie eröffnet werden dürfen. Hier zeigt sich erneut, dass Ermittlungsarbeit immer nur gegen links geleistet wird und Polizei und Staatsanwaltschaft noch die wildesten Geschichten zur Anzeige bringen, um so Repressionsdruck auf antifaschistische Kräfte aufzubauen. Die Strategie dahinter lautet „Abschreckung durch Repression“ – egal ob es letztendlich zu Verurteilungen kommt oder nicht. Es geht um den psychologischen Druck. Deshalb ist es auch wichtig im Angesicht wachsender Repression zusammenzustehen und die Betroffenen solidarisch zu unterstützen.

So standen bereits um kurz nach 8 Uhr morgens rund ein Dutzend Prozessbegleiter:innen auf der Soli-Kundgebung vor dem Amtsgericht Tiergarten. Während die Justiz-Beamt:innen von der Lautstärke genervt waren, erhielt die Kundgebung von anderen Angeklagten, die vor dem Gericht warteten, viel Zuspruch. Polizeigewalt und Behördenwillkür sind ihnen halt auch bekannt. Im Gerichtssaal begann dann gleich die Show des ersten Polizei-Zeugen. Zuvor hatte er sich seine Aussagen nochmal im Flur genau durchgelesen. Dementsprechend war er sich ganz sicher, dass der angeklagte Antifaschist ihn auf der Kundgebung an einer Festnahme hindern wollte. Dabei sei er mit der „Handkante“ auf den Unterarm geschlagen worden, was einen „leichten Druckschmerz“ verursacht hätte. Im Gegensatz zu den glasklaren Erinnerungen des Cops konnten die Polizei-Videos die Situation nicht aufklären.

Anders war es dann bei den Videos, die spontan von der Verteidigung vorgelegt wurden. Das waren Aufnahmen, die am 6.6.2021 von anderen Teilnehmenden auf der Kundgebung gemacht worden waren. Während der Zeuge draußen warten musste, sahen Richterin und Staatsanwalt darauf, was wirklich passierte. So war es der Cop, der den Angeklagten ohne Grund auf der Kundgebung angriff und brutal zu Boden rang. Diese neuen Beweise wurden dann auch dem Schläger-Cop vorgespielt; mit dem Hinweis, dass er nichts dazu sagen müsse, um sich selbst zu belasten. Viel kam dann auch von seiner Seite nicht mehr. Alle Verfahrensbeteiligten waren sich einig, dass der Angeklagte freizusprechen ist. Pünktlich zum Freispruch kam noch der Cop „11100“. Als Gruppenführer der 11.Hundertschaft hatte er damals die Polizeiübergriffe angeordnet. Inzwischen wurde er wegen anderer Gewaltdelikte aus dem Hundertschaftsdienst entfernt. Anders als sein Kollege trat er auch nur in zivil auf. Eigentlich sollte er als Zeuge aussagen, doch bekam nur noch den Freispruch mit. Daraufhin verließ er sichtlich genervt das Gericht, während die Prozessbeobachter:innen und der Angeklagte den Freispruch feierten.

Dieser Freispruch ist richtig und konsequent. Doch lohnt es sich darauf zu gucken, wie es überhaupt zu dieser Verhandlung kommen konnte. Die gesamte Anklage basierte nur auf den Aussagen von drei Cops. Jetzt im Nachhinein ist klar, dass sie mit der Anzeige lediglich von den eigenen Gewaltausbrüchen ablenken wollten. Doch auch ohne dieses Wissen hatten ihre Anschuldigungen kaum Substanz und Videobeweise gab es auch keine brauchbaren. Es konnte also nur zu der Anklage kommen, weil wie so oft die Staatsanwaltschaft einfach blind den Polizei-Aussagen geglaubt hat. Hätte es keine eigenen Videos von anderen Kundgebungsteilnehmenden gegeben, wäre es wohl zu einer Verurteilung gekommen. Dies ist leider viel zu häufig der Fall. Vielleicht muss demnächst eine neue Diskussion über einen möglichen Nutzen von Videos auf politischen Aktionen geführt werden. Doch letztendlich würde eine solche Praxis nur dazu dienen, die inneren Fehler des vermeintlich rechtsstaatlichen Justizsystems auszubessern. Würden Staatsanwaltschaften die Aussagen von Cops kritisch hinterfragen und auch nach entlastenden Beweismitteln gegen Linke suchen, müssten wir diese Diskussion vielleicht gar nicht führen. Doch dazu wird es auf absehbare Zeit nicht kommen. Schon die anderen bekannten Verfahren im Zusammenhang mit den Protesten gegen den AfD-Landesparteitag 2021 zeigen das gleiche Muster der unkritischen Aufnahme von den Aussagen der Cops. Also müssen wir uns selbst schützen und gegen eine solche politisch motivierte Verfolgung solidarisch zusammenstehen.

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