Redebeitrag zum Antifa-Fahrradkorso gegen die „Hygienedemo“ am 23.05.

Wir sind heute hier, um rechten Spinner*innen den Kampf anzusagen. Hier in Mitte wollen heute Esos, Verschwörungsschwurbler*innen, Faschist*innen, Wutbürger*innen und allgemeine Frustrierte gemeinsam als „Hygienedemo“ demonstrieren.
Wir wollen der „Hygienedemo“ keinen Raum lassen!

Die AfD und andere rechte Gruppen wollen genau diese Versammlungen nutzen, um ihre menschenverachtende Politik in neue Milieus zu tragen. Vielen Teilnehmenden war es die letzten Wochen scheißegal, mit wem sie demonstrieren. Für uns ist eine Kritik am Staat wichtig. Es ist aber niemals legitim, dafür mit Rechten und Faschist*innen zu demonstrieren.

Wir als “Kein Raum”-Bündnis setzen uns dafür ein, der AfD die Räume für Treffen und Versammlungen sowie Propagandaaktionen zu nehmen. So haben in Berlin schon viele Restaurants die rechte Partei vor die Tür gesetzt und es konnten sogar mehrmals Großveranstaltungen wie der Berliner Landesparteitag verhindert werden. Wir bekämpfen die AfD, um sie daran zu hindern noch mehr Einfluss in Parlamenten und auf den Straßen zu gewinnen. Dafür brauchen wir keine Unterstützung vom Staat oder der regierende Parteien, denn im Zweifel stehen sie ohnehin auf der Seite der AfD, egal welche menschenverachtenden Thesen sie vertritt.

Die AfD steht für kapitalistische Ausbeutung, eine Politik des Stärkeren und für Ausgrenzung und Diskriminierung. Deshalb ist es zynisch, dass die Partei mittlerweile deutschlandweit zu Protesten für Grundrechte aufruft. So würden sie am liebsten die Grundrechte für sozial Schwache, Geflüchtete und andere Betroffene von Menschenfeindlichkeit abnehmen. Doch die Partei steht unter Druck. Wie so oft hat sie auf Krisen keine oder nur verkürzte Antworten.

Lange wurde um eine einheitliche Position zur Corona-Krise gerungen: Kritisierten die einen noch das vermeintlich langsame Handeln der Regierenden, standen die anderen schon auf den ersten sogenannten “Hygienedemos”. Der Partei geht es dabei jedoch nicht um Logik, Fakten oder Solidarität. Wichtig sind ihr einzig und allein der Kampf um Deutungshoheit, Wählerstimmen und politischen Einfluss. Dafür tut sie sich gern mit wirren Verschwörungsideolog*innen und Neonazis zusammen.

Auch die wenigen Inhalte der „Hygienedemos“ passen ihnen gut. Hauptsache sie können auf der Straße gegen “die da oben” hetzen und ihre peinliche Partei als einzige Lösung präsentieren. Eigene politische Vorschläge braucht es nicht. Bei vielen Teilnehmer*innen der Demonstration rennt die Partei mit ihrer undifferenzierten Hetze auf die Medien und die staatlichen Maßnahmen offene Türen ein.

Schon früh nahmen also AfD-Mitglieder an den „Hygienedemos“ teil – vor allem die, die dem völkischen Flügel der Partei angehören. Einer der ersten in Berlin war der Brandenburger Landtagsabgeordnete Lars Günther. Er engagierte sich bereits bei den rechtsoffenen “Friedensmahnwachen” 2014 und knüpfte dort Kontakte zu Jürgen Elsässer vom neurechten COMPACT-Magazin. Seit 2015 ist Günther in der AfD. In dieser Zeit meldete er Demonstrationen gegen Geflüchtetenunterkünfte an und zeigt keinerlei Berührungsängste mit der NPD oder der Partei “Die Rechte”.
Auf den Berliner „Hygienedemos“ verteilte er medienwirksam die Zeitung des sogenannten “Demokratischen Widerstands” und verteidigte später im Brandenburger Landtag die Demos, die ja nur aus besorgten Bürgern bestünden.
Aus einem ähnliche Spektrum kommen auch die Teilnehmenden der Berliner AfD. Insbesondere der Bezirksverband aus Marzahn-Hellersdorf ist regelmäßig stark vertreten – genauso wie der Verband aus Steglitz-Zehlendorf. Um legitim an den unangemeldeten Protesten teilnehmen zu können, beriefen sich Abgeordnete auf ihre Rolle als parlamentarische Beobachter*innen. Viele AfDler auf den „Hygienedemos“ sind jedoch gar keine Parlamentarier*innen. Und auch bei den Anderen blieb es nicht beim Beobachten. So stand der Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller am 9. Mai mit Plakat in vorderster Reihe der Proteste am Alexanderplatz.

Zuerst nahm die AfD vor allem an den unangemeldeten Protesten teil. Inzwischen versucht sie selbst Veranstaltungen zu organisieren, wie letzte Woche Samstag. Diese wurde maßgeblich vom Berliner Notvorstand Nikolaus Fest organisiert. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wie in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg, schafft es die AfD Berlin aber nicht. die Proteste anzuführen.

Wir wollen im Zusammenhang mit den Protesten heute betonen:
Wir finden es durchaus legitim, gegen eine zunehmend autoritäre und wirtschaftsnahe Politik unter dem Deckmantel des Infektionsschutzes zu protestieren. Dafür braucht es kein Verschwörungsdenken und vor allem kein gemeinsames Marschieren mit Nazis.

Dazu kommt, dass reaktionäre Gruppen gezielt Einschränkungen zum Pandemieschutz übergehen ohne ihre eigenen Privilegien zu hinterfragen. Es ist nun mal nicht egal, ob ihr euch ansteckt, wenn ihr damit auch die Risikogruppen in einem kaputt gesparten Gesundheitssystem gefährdet.

Viele sehen sich momentan selbst als Opfer, ziehen Vergleiche, die den Nationalsozialismus verharmlosen oder tun so, als würden sie in einer Diktatur leben – dabei haben sie nicht einmal die leiseste Ahnung, wie gut es den meisten von ihnen geht. Und wer sich in seinen oder ihren Grundrechten eingeschränkt sieht, sollte auch an alle denken, die überhaupt keine Rechte haben.
Das Motto der Zeit darf eben nicht lauten “Freiheit für mich selbst”, sondern Solidarität!

Wir wollen noch einmal dazu sagen: Nicht alle Leute auf den sogenannten „Hygienedemos“ sind Nazis oder irgendwelche Spinner*innen. Doch sie müssen sich vor Augen führen, dass sie mit einer Teilnahme an der „Hygienedemo“ gemeinsam mit Reichsbürger*innen, der NPD, rechten Hooligangruppen oder der AfD auf die Straße gehen.

In dieser Situation braucht es einen starken antifaschistischen Protest. Unser Ziel muss es sein, den Rechten konsequent den Raum zu nehmen. Bei der AfD haben wir es bereits mehrfach geschafft. Das sollte nun auch mit den Hygienedemos möglich sein.

Wir brauchen jetzt keinen egoistischen Wohlstandsprotest. Es braucht solidarische Alternativen zu Staat und Kapital! Die Corona-Krise darf nicht auf dem Rücken von sozial Schwächeren ausgetragen werden!

Wenn wir uns heute gegen die Hygienedemos und ihre Freund*innen stellen, heißt es nicht, dass wir die gegenwärtige Politik gut finden oder irgendwelche Milliardäre unterstützen. Ganz im Gegenteil – wir kritisieren den zunehmenden Einfluss privater und wirtschaftlicher Interessen auf die politische Entscheidungsfindung. Aber einflussreiche Einzelpersonen sind nicht Schuld an der Corona-Krise.
Wenn wir die Krise des Gesundheitssystems betrachten, dann sehen wir ein mörderisches System, das Einzelpersonen die Anhäufung von Macht und Kapital überhaupt erst ermöglicht!

Es gibt gegenwärtig viel zu kritiseren und tausend Gründe auf die Straße zu gehen. Dabei müssen wir aber auch an Risikogruppen denken, an Geringverdienende, an Geflüchtete, die permanent in ihren Rechten beschnitten werden.
Außerdem gilt: Für die AfD und ihre Fans ist bei unseren Kämpfen für eine bessere, gerechtere Welt kein Millimeter Platz.

In dem Sinne: Kein Raum der AfD! Her mit der sozialen Revolution!