Marzahn: Teilnahme der AfD am Auschwitz-Gedenken verhindert

„Die Toten mahnen. Nie wieder Faschismus.“

Heute am 26.01.2019 nahmen mehr als 50 Personen aus einem breiten antifaschistischen Bündnis am bezirklichen Gedenken an die Opfer des Faschismus in Berlin-Marzahn teil. Ziel war die Stärkung einer dezidiert antifaschistischen Gedenkpolitik, was auch bedeutet, eine Instrumentalisierung durch die ebenfalls geladene AfD zu verhindern. Dieses Vorhaben wurde umgesetzt. Die Vertreter*innen der AfD mussten im Angesicht der massiven Gegenwehr unverrichteter Dinge abziehen und ihren Gedenkkranz wieder mitnehmen.

Kein Gedenken mit der AfD
Es ist absolut unverständlich, dass einerseits die AfD von Gedenkveranstaltungen in Gedenkstätten, wie Buchenwald oder Mittelbau-Dora ausgeladen wird, und gleichzeitig bei einem bezirklich organisierten Gedenken in Berlin offen auftreten darf. Diese Kritik wurde im Vorfeld des Gedenkens vom VVN-BDA in Form eines offenen Briefes an die organisierenden Gruppen in Gestalt des Bezirks Marzahn-Hellersdorf und den sogenannten “Heimatverein Marzahn” herangetragen – allerdings ohne Erfolg. Die einzige Konsequenz war, dass der Vizebezirksbürgermeister der AfD (Thomas Braun) nicht den bezirklichen Gedenkkranz niederlegen durfte, obwohl die Bezirksbürgermeisterin (Dagmar Pohle – DIE LINKE) wegen Krankheit verhindert war. Es ist sicherlich nicht die Aufgabe einer antifaschistischen Bewegung, ein offizielles Gedenken verändern zu wollen. Doch die Anwesenheit einer neofaschistischen Partei zu diesem wichtigen Gedenktag kann nicht unkommentiert hingenommen werden. Es geht darum, der AfD und ihren Freund*innen klar zu machen, dass es durchaus Orte gibt, an denen sie nicht willkommen sind und mit heftigem Gegenwind zu rechnen haben – selbst wenn sie den stellvertretenden Bezirksbürgermeister stellen.

Faschistische Aktionsräume dichtmachen!
Bereits vor dem Beginn des eigentlichen Gedenkens stellten sich die Antifaschist*innen mit einem breiten Transparent (“Den Opfern des Faschismus gedenken, heißt auch den Rechtsruck bekämpfen”) vor der Gedenkstele für die Zwangsarbeiter*innen auf dem Marzahner Parkfriedhof auf. Dort kam es zu den ersten verbalen Konfrontationen mit Vertreter*innen des organisierenden Heimatvereins. Sie forderten die antifaschistischen Aktivist*innen auf, Platz für das Gedenken zu machen. Ein Gedenken mit einer starken antifaschistischen Ausrichtung schien für sie nicht hinnehmbar zu sein, obwohl keine*r der Anwesenden andere Personen außerhalb der AfD vom Gedenken abgehalten hat. Für eine kurze Zeit stand auch die Absage des Gedenkens im Raum. Als der Vorsitzende des Heimatvereins begriff, dass sich die Antifaschist*innen nicht einfach vertreiben lassen würden, begann die Rede des Vorsitzenden des bezirklichen Bündnisses für Demokratie und Toleranz. Doch den blumigen Worten zu den Lehren des Faschismus folgten von dieser Seite keine konkreten Taten. Nach der Rede legten die Vertreter*innen des Bezirksamtes, einzener Botschaften und einiger Parteien der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ihre Gedenkkränze vor der Stele ab. Einzig und allein den Verterter*innen der AfD wurde dieser Weg versperrt. Diese pöbelten lautstark, drückten, schoben und versuchten mit allen Mitteln, an die Stele zu gelangen. Selbst der Weg durch das Gebüsch wurde ohne Erfolg gewählt. Gleichzeitig begaben sie sich in die klassische, AfD-typische Opferposition. So wurde rumgejammert und behauptet, man werde geschlagen und verletzt. Dieses Spiel stellte die AfD aufgrund der zahlreichen auf sie gerichteten Kameras jedoch schnell ein. Anschließend wurde die anwesende Polizei um Hilfe gebeten, der es trotz aller Symathie für die AfD an diesem Tag aus Angst vor schlechter Publicity nicht möglich war, gegen die Antifaschst*innen vorzugehen.

Die miesepeterigen Gesichter der AfD'ler waren ein wunderschöner Anblick.
Die miesepeterigen Gesichter der AfD’ler waren ein wunderschöner Anblick.

Insgesamt solidarisierten sich einige der anwesenden Gedenkteilnehmenden mit der antifaschistischen Intervention, doch gerade von den Vertreter*innen der LINKEN aus Bezirks- und Bundespolitik (u.a. Petra Pau) war kein öffentlicher Zuspruch zu vernehmen. Irgendwann stellte die AfD ihre lächerlichen Versuche den Gedenkkranz abzulegen ein und zog von dannen. Sie legten ihn kurz darauf bezeichnenderweise an einem Gedenkstein für die deutschen Opfer des Stalinismus in der Sowjetunion nieder. So sieht Selbstentlarvung aus!
Im Anschluss hielten die verbliebenen Antifaschist*innen ein stilles und würdevolles Gedenken an die Opfer des Faschismus ab.
Insgesamt war die Gruppe der AfD größer als gedacht. Als besondere Provokation ist die Teilnahme des stellvertretenden Sprechers der BVV-Fraktion, Bernd Pachal, zu bewerten. Noch im Jahr 2016 lobte er auf Facebook die „kluge Politik des Reichsprotektors Reinhard Heydrich“, der u.a. als einer der Organisatoren der Wannsee Konferenz gilt. Weiterhin anwesend waren Joachim Nedderhut, Michael Schuster, Jörg Frank, Bernd Lau, Maria Arlt, Rolf Keßler und Gunnar Lindemann. Letztgenannter sitzt für die AfD Marzahn-Hellersdorf im Berliner Abgeordnetenhaus und ist dem “Flügel” zuzuordnen, an dessen Veranstaltungen er regelmäßig teilnahm. Gerade im Angesicht des rechten Parteiflügels und der zunehmenden Selbstsicherheit der AfD im Allgemeinen ist es wichtig, der Partei gerade an solchen symbolträchtigen Tagen, die Räume streitig zu machen und ihnen damit die Möglichkeit zu nehmen, sich als “normale Partei” darzustellen. Weiterhin helfen solche Interventionen, die Deutungshoheit über antifaschistisches Gedenken wiederzuerlangen bzw. diese nicht der offiziellen Parteipolitik mit ihrer fehlenden Distanz zu neofaschistischen Kräften zu überlassen.

Der “Heimatverein”
Besonders bizarr an der bezirklichen Gedenkpolitik in Marzahn-Hellersdorf ist die Ausrichtung des Gedenkens durch den selbsternannten Heimatverein. Dessen Vorsitzender setzte sich über alle Maßen für eine Teilnahme der AfD ein und versuchte anwesende Antifaschist*innen einzuschüchtern. Das ist jedoch kein Zufall. So ist der ebenfalls anwesende AfDler Gunnar Lindemann ebenfalls stolzes Mitglied des Heimatvereins. Auch Bernd Pachal konnte auf der letzten Hauptversammlung des Vereins reden. Entsprechende Versuch der AfD, vermehrt zivilgesellschaftliche Vereine und Verbände zu unterwandern und dort ihr nationalistisches und rassistisches Gedankengut weiter verbreiten zu können, kommen nicht von Ungefähr. Sie basieren auf einem Aufruf des AfD-Bundesvorsitzenden Georg Pazderski auf dem Bundesparteitag am 04.11.2017. Dort verkündete er öffentlichkeitswirksam: „Wir müssen in die Kieze, in die Verbände, in die Sportvereine. Wir brauchen mehr Mitglieder und müssen die richtigen Mitglieder werben, also Liberal-Konservative rechts der Mitte.“ Pazderski ging mit gutem Beispiel voran und trat in den Förderverein der Stasi- Gedenkstätte Hohenschönhausen ein, was eine breite politische Debatte, vereinsinterne Konflikte und Austritte auslöste. Das Projekt der AfD Marzahn scheint nun also der Heimatverein zu sein. Von ihm heißt es inzwischen sogar, dass AfDler*innen Bestrebungen hätten, dort auch Vorstandspositionen zu ergreifen. Auf diese Weise disqualifiziert sich der Verein als Partner einer ernstgemeinten bezirklichen Gedenkpolitik vollständig, sodass auf dieser Ebene ein Umdenken erfolgen muss.

Nicht das erste und nicht das letzte Mal
Insgesamt reiht sich dieser Tag ein in eine Vielzahl anderer öffentlichkeitswirksamer Interventionen gegen eine Instrumentalisierung des Gedenkens an die Opfer des Faschismus durch die AfD. Bereits im vorigen Jahr konnte am 27.01. eine vergleichbare Kranzniederlegung der AfD am Mahnmal für Zwangsarbeiter*innen in Fennpfuhl (Berlin Lichtenberg) durch Antifaschist*innen verhindert werden. Am 8. November 2018 hinderte die Verantwortliche der „Stiftung Denkmal der ermordeten Juden“, Lea Rosh, Georg Pazderski daran, einige Namen der 57.000 ermordeten Berliner Jüd*innen zu verlesen. Auch die Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora verständigten sich, wie oben beschrieben, vor Kurzem darauf, Politiker*innen der AfD am Holocaust-Gedenktag auszuschließen. Die AfD reagierte auf alle diese Vorfälle stets auf die gleiche Weise. Sie begibt sich in die Opferposition und redet von Diskriminierung. All zu oft wird dies mit der geschichtsrevisionistischen Behauptung garniert, die “neuen Juden” zu sein. Wir sind schon gespannt, welche abenteuerlichen Geschichten über den heutigen Tag von der Partei diesmal verbreitet werden. Gleichzeitig soll die Aktion ermutigen, auf niedrigem Level der Aneignung von Gedenkpolitik durch die AfD entgegenzutreten. Es ist möglich und Erfolg versprechend. Der 27.1. wird in vielen Städten, Gemeinden und Kommunen begangen und wahrscheinlich mit einer wachsenden Beteiligung lokaler AfD-Vertreter*innen. Diesem Trend gilt es sich (auch an anderen Tagen) entgegenzustellen, um der AfD nicht auch noch die letzten gesellschaftlichen Räume zugänglich zu machen.

Bündnis „Kein Raum der AFD!“